Archive für 25.5.2009

Impotenz

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heute, am sonnigen sonntag, bin ich auf den tag genau 6 monate hier im “haus zuversicht”. unglaublich, aber wahr - ein halbes jahr selbsterfahrung in der modernen stationären sterbebegleitung und pflege. beim “einchecken” hier hätte ich höchstens auf 6 wochen gewettet (insidertipp: keinesfalls auf weitere 6 monate setzen - das geht voll in die hose!); spricht für meine zähigkeit und / oder die qualität des hauses und seiner mitarbeiter. ..

dazu noch eine anmerkung: wie auch überall sonst in der berufswelt gibt es hier erhebliche diskrepanzen: einige arbeiten hochprofessionell und engagiert, wach und mitdenkend - bei anderen frage ich mich manchmal, ob es jemals eine ausbildungsabschlussprüfung gegeben hat und wo die schwerpunkte lagen. außerdem stellt sich mir manchmal unweigerlich die frage nach der alltagstauglichkeit oder dem gesunden menschenverstand. wird jedenfalls nie langweilig…

aber ich habe große angst vor dem moment, in dem ich völlig bewegungs- und sprachunfähig, also völlig hilflos und auf andere angewiesen bin. man stelle sich vor, an armen und beinen bewegungsunfähig an einen stuhl gefesselt und geknebelt zu sein. schreckliche vorstellung, oder? und dann noch als dauerzustand? da hoffe ich dann doch, dass mir ein vorheriger atemstillstand dieses horrorszenario erspart.

apropos unfähigkeiten: impotent = unfähig.
also, reden wir über (un-)fähigkeiten. es gibt jetzt wohl mehr dinge, die ich nicht tun kann als dinge, die ich noch kann (nicht mehr gut drauf, nur noch gut drunter?). viele fähigkeiten machen sich fast unbemerkt (zu beginn auf jeden fall) aus dem staub, bei manchen bemerkt man den mangel im selben augenblick.

was mich aktuell nervt: ich kann nicht mehr „zappen“!

das ultimative männerspielzeug im haushalt (wird öfter berührt als die partnerin; achtet mal drauf, liebe frauen…) liegt neben mir: die tv-fernbedienung. und ich liege im fernsehsessel “relax” und kann meinen arm nicht (hoch genug) heben, um sie zu greifen und zu bedienen.

bleiben mir genau 3 möglichkeiten:
1.) aufstehen und selbst schalten
2.)per armbandklingel hilfe rufen
3.)ertragen

1. kommt nicht in frage, weil es a) zu lange dauert, b) zu anstrengend ist und es nur eine begrenzte anzahl erfolgreicher versuche pro tag gibt,
2. kommt nicht in frage, weil a) s.o. und b) ich mir das für wichtigere anliegen aufspare,
also bleibt nur 3.) ertragen. d.h., bevor ich mich in den sessel setze, muss ich sehr sorgfältig - und sehr vorausschauend - das programm ( und die lautstärke) auswählen, das ich in der nächsten zeit sehen möchte .

so weit, so gut - gäbe es da nicht die unsäglichen werbeblöcke!
dabei stellten sich mir mal wieder einige fragen : denkt sich das jemand aus oder hält einfach jemand mit einer kamera auf willkürlich  ausgewählte freiwillige, die nicht wissen, was sie tun? kommen diese personen aus demselben pool wie die “big brother“ insassen? bekommt jemand geld dafür? warum?

auf jeden fall hart, das über mich ergehen lassen zu müssen. erinnert mich an eine filmszene aus billy wilders nachkriegskomödie “1, 2, 3″ mit liselotte pulver und horst bucholz; ich erinnere an  die “folterszene” mit “itsy, bitsy, teeny weenie, honululu strandbikini…” usw., usw., usw. jetzt kann ich mich jedenfalls gut in den armen horst hineinversetzen…

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